Duplikat-Typenschein als Hindernis für Gutgläubigkeit beim Kauf eines Gebrauchtwagens?
Der Gutglaubenserwerb setzt insbesondere Redlichkeit des Erwerbers der vom Nichteigentümer verkauften Sache voraus. Ein Gebrauchtwagenhändler ist unredlich, wenn er trotz Vorliegens verdächtiger Umstände, konkret eines vom Verkäufer vorgelegten bloßen Duplikat-Typenscheins, der offensichtlich erst anlässlich des Fahrzeugverkaufs ausgestellt wurde, nachdem der Verkäufer das Fahrzeug erst wenige Monate zuvor angekauft hatte, keine weiteren Nachforschungen anstellt.
Das klagende Autohandelsunternehmen verkaufte im Mai 2014 einen Gebrauchtwagen um einen Kaufpreis von 9.400 EUR, wobei es sich das Eigentum bis zur vollständigen Begleichung des – nach Leistung einer Anzahlung von 1.000 EUR vereinbarungsgemäß in 24 Monatsraten zu zahlenden – Kaufpreises vorbehielt und deshalb den Original-Typenschein des Fahrzeugs in seiner Verwahrung behielt. Der Vorbehaltskäufer leistete neben der Anzahlung nur insgesamt vier Monatsraten und verkaufte das Fahrzeug bereits im August 2014 um 5.500 EUR an die beklagte Gebrauchtwagenhändlerin. Zu diesem Zweck besorgte er sich einen Duplikat-Typenschein. Die Beklagte verkaufte das Fahrzeug wenige Tage später um 8.500 EUR an einen gutgläubigen Kunden weiter, der infolge dessen Eigentümer des Fahrzeugs wurde.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten insbesondere den Ersatz des Fahrzeugwerts. Die Beklagte sei bei Erwerb des Fahrzeugs nicht redlich gewesen, weil sie trotz der verdächtigen Umstände weitere Nachforschungen unterlassen habe.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren (unter anderem) mit der Begründung ab, die Beklagte habe gutgläubig Eigentum am Fahrzeug erworben.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Er stellte klar, dass die Gesamtumstände, nämlich Vorlage eines bloßen Duplikat-Typenscheins, der offensichtlich erst aus Anlass des Kaufvertragsabschlusses ausgestellt wurde, und Erwerb des Fahrzeugs durch den späteren Verkäufer erst wenige Monate zuvor in Verbindung mit dem bei einer Gebrauchtwagenhändlerin vorauszusetzenden Wissen, dass Händler, die Kraftfahrzeuge unter Eigentumsvorbehalt verkaufen, üblicherweise den Original-Typenschein einbehalten, den Verdacht nahelegten, der Verkäufer könnte unredlich sein. Da die Beklagte dennoch weitere Nachforschungen unterließ, konnte sie mangels Gutgläubigkeit nicht Eigentümerin des Fahrzeugs werden.
(OGH 3Ob91/21k, vom 1.9.2021)